Republikanischer Club - neues Österreich

 

 

Texte zur Entstehungsgeschichte des Republikanischen Clubs – Neues Österreich

 

BUCH (als Rohsatz zum Nachlesen) „VON DER KUNST DER NESTBESCHMUTZUNG“, Hg. Brigitte LEHMANN, Doron RABINOVICI, Sibylle SUMMER, Wien 2009, Loecker Verlag:

Buch Von der Kunst der Nestbeschmutzung, 2009

 

Einzelne Beiträge aus dem Buch:

Doron RABINOVICI: Aktion und Artikulation

Hagen FLEISCHER: Erinnerungen an die `Causa W.‘

Peter KREISKY: „Neues Österreich“

Gespräch geführt von Sibylle SUMMER mit Mary STEINHAUSER: Waldheim und die Folgen

Kurztext: DIE GESCHICHTE DES WALDHEIM HOLZPFERDES:     Kurztext,Waldheim Holzpferd

 

Artikel von Ruth BECKERMANN, erschienen in der Presse am 9. Dezember 2016: 30 Jahre später: Waldheim, eine Sichtung

 

Seit 5. Oktober 2018 spielt der ausgezeichnete Film „WALDHEIMS WALZER“ von Ruth BECKERMANN in den Wiener Kinos. Näheres dazu siehe http://www.waldheimswalzer.at/de/

 

Die Geschichte des Republikanischen Clubs auf Englisch: History of Republikanischer Club – Neues Österreich

 

DIE GESCHICHTE DES WALDHEIM – HOLZPFERDES
von Kuno KNÖBL

Fred Sinowatz, Bundeskanzler der Republik Österreich, musste im Frühling 1986 feststellen, dass eine Debatte über Kurt Waldheims verfälschte Biographie abgelehnt wurde. Jede Nachfrage galt als Nestbeschmutzung. In einer Pressekonferenz erklärte Sinowatz deshalb: „Ich stelle fest, dass Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd.“ In den Wochen zuvor hatte die Öffentlichkeit, teils durch das Magazin profil, teils durch den World Jewish Congress, Dokumente und Fotos über den Präsidentschaftskandidaten der Volkspartei Kurt Waldheim erhalten.

Waldheim in aristokratischer Manier hoch zu Ross, ein Herrenreiter, ein anderes: Waldheim, hoch gewachsen aber dezent im Hintergrund mit dem österreichischen General Pfleps und dem italienischen Kommandeur der „Pustevia“ – Division, den Pustertalern in Jugoslawien.
… und dann der „provisorische“ – Lebenslauf des Lebensläufers Waldheim für seine Bewerbung zum höchsten Amt im Staate.
1943 – stand da zu lesen – war er verwundet in Wien und schrieb seine Dissertation, 1944 promovierte er zum Doktor der Rechte – ? – Da war er doch in Arsacli, oberhalb von Saloniki, 3 c der Heeresgruppe E – Löhr, die den Balkan, Griechenland besetzt hatte, Nachrichtenoffizier, direkt unterstellt dem Geheimdienstchef der Heeresgruppe E,  Oberst Warnsdorf. Und: 1944 waren doch zehntausende Juden aus Saloniki direkt in die Todeslager verfrachtet worden.
Arscali liegt über Saloniki, mit herrlichem Blick auf die Stadt….

Die Paraphen Waldheim: „Für die Richtigkeit“ und sein flinkes „W“. Ein flottes „W“, ein glattes „W“, ein geübtes, vielfach gebrauchtes, all die „W“s unter den Berichten des Nachrichtendienstes … und ein „W“, der Bericht über den Abtransport von „Partisanen“ und ein „W“, der Säuberung einer Insel und ein „W“. Ein diensteifriges „W“. Immer wieder und immer wieder: „W“ wie Waldheim … für die Richtigkeit …man sah den Offizier, den Oberleutnant Waldheim hinter seinem Schreibtisch sitzen… konnte sich vorstellen, dass er nicht einmal seine Mütze abnahm (es sei denn, die Dienstvorschrift hätte es geboten) mit schlanken, blassen, dürren, langen Fingern, die „W“ unter die Geheimberichte setzen … und nun, 1985 hatte er davon nichts gewusst? Wovon wusste er überhaupt, der „W“, dem „Die Welt vertraut“, wie auf seinen Wahlplakaten zu lesen stand. Immerhin war er UN-Generalsekretär gewesen, man machte schließlich Karriere, wusste es sich zu richten… die Zeit heilt doch alle Wunden … oder nicht? Nur jene mit dem „W“ nicht.

Der „Republikanischer Club – Neues Österreich“ wurde gegründet. Sein erstes Ziel: Wir – in Österreich – hätten die Aufgabe, die Vergangenheit aufzuhellen, wir selbst, wir in Österreich, unsere Vergangenheit, von der wir kaum mehr zu wissen hatten, dass es einen gewissen Hitler (auch Österreicher) und eine Befreiung gegeben hatte, 1945 durch die Alliierten, 1955 von den Alliierten … Nazi? KZ? Pogrom? Vernichtung? Eichmann? Kaltenbrunner? (beide auch Österreicher) … na ja …
Friedrich Peter? SS? … und der Dr. Höchtl, rechte Hand Kaltenbrunners in der „Alpenfestung“, hatte er nicht die 1. private Mittelschule in Österreich?
Die Sammlung der Dokumente über Waldheim war nicht leicht. Das „National Archive in Washington“ hatte zwar viel, aber sie waren schwer zugänglich. Der Jüdische Weltkongress sammelte selbst und publizierte die ersten Papiere.

Kurz Waldheim korrigierte zum 1. Mal seinen „provisorischen“ Lebenslauf.

Man suchte in unendlichen Debatten Möglichkeiten der Publikation, der Aufklärung…

Kurt Waldheim korrigierte zum 2. Mal seinen „provisorischen“ Lebenslauf.

Im März 1986 schrieb ich das Stück: „Der Herr Dr. Kurt“, eine Paraphrase auf den „Herrn Karl“. Es sollte im kleinen Volkstheater, im Konzerthaus aufgeführt werden. Mit Paul Blaha, dem Direktor des Volkstheaters, hatte ich einen Termin. Im Direktionszimmer saßen zur Besprechung eines anderen Stücks Peter Turrini und Alfred Hrdlicka. Wir sprachen über das Stück, dann über den Herrenreiter. Ich sprach davon, dem Herrenreiter ein Pferd zu geben. Alfred Hrdlicka saß da und skizzierte mit rotem Stift ein Holzpferd, ein trojanisches, aus seinem Bauch sollten die Gespenster der Vergangenheit kriechen …
Man einigte sich, das Holzpferd nach der Skizze Hrdlickas bauen zu lassen. Auf dem Holzpferd ist zu lesen: produziert von der Gruppe „Neues Österreich“.
Paul Blaha nannte eine Bühnenwerkstatt, die dabei behilflich war.
Nach 14 Tagen, Waldheim hatte seinen 3. korrigierten Lebenslauf der Öffentlichkeit vorgelegt, auf seinen Plakaten prangte ein gelbes Dreieck „jetzt erst recht“ …war das Pferd fertig.  Mein Sohn, einige Freunde und ich holten es mit meinem LKW ab. Für 14 Uhr hatte die Gruppe Neues Österreich eine Demonstration am Stephansplatz angemeldet. Über die Seilerstätte, die Singerstraße erreichten wir den Platz, das Pferd war verhüllt mit Leintüchern. Um 14.30 Uhr stand es enthüllt, groß, neu, frisch auf der Ladeflache des LKW, ca 6 m hoch über den Passanten – auf dem Kopf eine SA Kappe, die Manfred Deix gemalt hatte, um dem Zitat Fred Sinowatz zu folgen. Mikrophone, Ordner, Freunde, Menschen … Rosa Jochmann war eine der ersten Redner… vor 5.000 Menschen, eine Stunde später waren es 10.000 und als „Ö3“ über das wundersame Geschehen berichtete , war der Graben, die Kärntner Straße voll mit Zusehern und Zuhörern.

Wenig später: das Holzpferd stand bei der Staatsoper, vis a vis der VP-Zentrale. Texte von Peter Handke, Elfriede Jelinek wurden verlesen, Doron Rabinovici, Peter Kreisky, Silvio Lehmann sprachen. Grußadressen von Turrini, Erich Fried … der damalige  Generalsekretär der VP Graff winkte lachend aus der VP Zentrale … wenig später musste er zurücktreten, wegen Waldheim, den er mit blutiger Juristenlogik („Erst, wenn man ihm nachweisen kann, dass er 6 Juden eigenhändig erwürgt hat, ist er ein Kriegsverbrecher.“) in der Sicherheit seines Advokatenfells verteidigt hatte, ohne zu ahnen, welche schaurige Wahrheit, welche grausige Wirklichkeit sich hinter seinen Worten verbarg.

Waldheim wurde gewählt. Mit Vorsprung zu seinem Gegenkandidaten.
Österreich hatte genau jenen Präsidenten, den es verdiente. Das Ausland – also alles, was Österreich nichts anging, nichts kümmerte, nichts scherte – reagierte nicht sehr amüsiert – auch nach dem 8. Lebenslauf, den der Herr Dr. Kurt veröffentlicht hatte und alle Fehler der anderen Fassungen als „Vergesslichkeit“ oder „Flüchtigkeit“ oder „Opfer der Zeit“ erklärte.

Von „einem Mann, dem die Welt vertraut“ war keine Rede.
Elfriede Jelinek war da und ließ ihren Text von einer Freundin verlesen.
Die großen internationalen Kontakte des Herrn Kurt lösten sich auf, wie Wolken, wie Urin im Rosenbeet. Aber man blieb sich treu und Waldheims erster Staatsbesuch, galt einem der kleinsten, ja dem kleinsten Staat der Welt, dem Vatikan. Mit dem Papst himself würde er sich treffen und sprechen.
Die Maturaklasse meines Sohnes beschloss als Maturareise Waldheim gemeinsam mit Aktivisten der Gruppe „Neues Österreich“ nach Rom zu begleiten – mit dem Holzpferd. Man fuhr vorbei an erstaunlich freundlichen Zollbeamten nach Rom. Der Vatikan verbot das Errichten des Pferdes auf seinem souveränen Boden. Er hatte genug andere Standbilder. Das Pferd wurde auf der „Piazza Navona“ aufgebaut. Die Weltpresse berichtete mehr über diese Aktion als den Besuch des Präsidenten beim Papst.

Zweite Reise von Dr. Kurt: Salzburg, Festspiele, Kultur, Jedermann.
Das Pferd reiste mit, stand am Domplatz und statt „Mozartkugeln“ wurden „Waldheimäpfel“ von seinem Pferd verteilt. Nette, runde Dinger, mit dem grinsenden Abbild des Herrn Bundespräsidenten…

Der Republikanische Club – Neues Österreich hatte geplant, Waldheim in alle Welt zu jedem Besuch zu begleiten. So lag es nahe, dass er auch in die USA reisen wollte.
Die Reise erübrigte sich. Waldheim kam auf die „watchlist“, erhielt Einreiseverbot in die USA, weil er falsche Personaldaten auf seinen Papieren – auch als UN Generalsekretär – angegeben hatte. Auf der „watchlist“ steht Waldheim noch immer.

Dafür flimmerte das Pferd über die Bildschirme von ABC, BBC, CNN, das Stück „Der Herr Dr. Kurt“ wurde von diesen TV-Stationen angekauft, Helmuth Schmidt, der Darsteller Waldheims, las es stilgerecht in „broken english“ und Helfer trugen es immer wieder vorbei – in der (damals) denkmalgeschützten ältesten Biedermaierfabrik „Fischapark“.

Der Herr Kurt blieb in den Verliesen der Hofburg – als sein eigener Gefangener. Er forderte eine „Objektivierung“ seiner Geschichte. Eine internationale Historikerkommission wurde eingesetzt, um ein „Weißbuch“ zu verfassen. Nach einem Jahr war es so weit, Waldheim aber war nicht zufrieden und verlangte drohend entsprechende Korrekturen … fast eine Staatskrise um den dürren Mann mit der Seele aus Papier.

Tatsächlich übernahm der Nachfolger von Sinowatz, Franz Vranitzky, neben seinen Aufgaben als Kanzler auch den Job des Bundespräsidenten. Er reiste nach Israel und verkündete vor der Knesset die Schuld von Österreichern an den Gräueltaten des Nazi-Regimes. Es war die erste offizielle Entschuldigung nach Jahrzehnten.

Das Pferd erlebte dies – zerlegt, als ständiges Objekt, Kunstwerk in den Räumen des „Republikanischen Clubs – Neues Österreich“ in Wien, in der Rockhgasse 1. Es war der zivilen, demokratischen, republikanischen Gesellschaft vorangetrabt, die damals begann. Spät genug, aber doch. Immerhin.

 

Das Waldheim – Holzpferd des Republikanischen Clubs – Neues Österreich, nach einer Skizze von Alfred Hrdlicka, auf Besuch in Rom:

Fotos: Lukas BECK

 

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Gespräch Sibylle SUMMER mit Kuno KNÖBL (Mitbegründer des Republikanischen Clubs – Neues Österreich)

ÜBER EINEN NAMEN

 

Sibylle: Du bist ein Gründungsmitglied des Republikanischen Clubs – Neues Österreich. Was war der Entstehungsimpetus für den RC? Wie war das gesellschaftspolitische Umfeld damals?
Kuno: Es gab damals, im Herbst 1984, eine Reihe von Club 2 – Diskussionen, die sehr staatskritisch waren. So gab es etwa große Auseinandersetzungen rund um die „Hainburger Au“.
Sibylle: Es war eine Zeit, in der neue Bewegungen entstanden sind, in der sich kritisches Bewusstsein entwickelte.
Kuno: Diese Entwicklung wurde teils auch vom ORF (im Club 2) befördert. Zum Teil sogar verursacht. Der Club 2 war 1976 die erste Talkshow im kontinentaleuropäischen Raum, die live gesendet wurde, zwei mal pro Woche. Kollegen aus ganz Europa kamen zu mir, wir erhielten viele Preise für diese Sendung. Die Idee für den Club 2 war, eben nicht eine disziplinierte Runde, die fachspezifisch zu einem Tagesthema spricht, einzuladen. Eingeladen wurden „normale Bürger“, d.h. Personen mit bestimmten Interessen, die nicht unbedingt bezogen auf ihre Fachgebiete diskutierten. Wenn etwa Rechtsfragen das Thema waren, haben wir bestenfalls einen Rechtsanwalt geholt, damit er uns Rechtsauskünfte gibt. Der Moderator im Club 2 war mehr Gastgeber, Gastgeberin als Diskussionsleiter. Und die Gesprächsteilnehmer waren Gäste. Es waren keine fachspezifischen Debatten, sondern Gespräche mit Open End.
Sibylle: Du warst Chefredakteur, Intendant, Unterhaltungschef im ORF und Erfinder und viele Jahre Leiter der legendären Talkshow Club 2.
Kuno: Ja, aber zurück zur Geschichte. Es gab einen Club 2, den Freda Meissner – Blau geleitet hat. Es ging um die „Hainburger Au“. Der Niederösterreichische Umweltlandesrat Ernest Brezovsky war eingeladen und wurde von Freda Meissner-Blau während der Sendung heftig persönlich angegriffen. Ich war am Regietisch, als uns das Telefonat vom damaligen Generalintendanten Gerd Bacher erreichte: „Die Freda hat Hausverbot“. Ich war ziemlich schockiert. Gemeinsam mit Sigrid Löffler hatten wir die Idee, Freda Meissner-Blau zu fragen, ob sie sich vorstellen könnte, für die nächste Bundespräsidentschaftswahl zu kandidieren.
Warum sind wir auf diese Idee gekommen? Es war fühlbar, dass sich bestimmte Strukturen in diesem Land – nach Kreisky – verändern. Damals war klar: Es wird sich etwas ändern, es ändern sich gesellschaftliche Verhältnisse. Und mit diesem Gefühl, natürlich auch mit der entsprechenden Analyse, sind wir dann zu Freda und haben gesagt: „Freda, du musst für die Präsidentschaft kandidieren.“ Da ging es darum, überhaupt einmal zu prüfen, ob es eine Chance gibt.
Sibylle: Eine Chance für neue alternative Ansätze?
Kuno: Wir waren der Meinung: wenn fünf Prozent erreicht werden, dann ist es hervorragend.
Sibylle: Wie ging es dann weiter?
Kuno: 1985 hatten wir bereits das Wahlbüro für Freda Meissner-Blau im Keller von Gexi Tostmann. Die Ernennung Waldheims zum Bundespräsidentschaftskandidaten der ÖVP wurde – meiner Erinnerung nach – im August 1985 von Alois Mock angekündigt. Es kam zu ersten Debatten über Waldheim und seinen Umgang mit der Vergangenheit. Im Herbst 1985 hatte ich mit Freda Meissner-Blau einen heftigen Krach. Ich war der Meinung, wir müssen uns mit Waldheim offensiv auseinandersetzen. Freda sagte: „Das machen wir nicht.“ In der Folge bin ich aus der Wahlbewegung für Freda Meissner-Blau ausgeschieden.
Sibylle: Das Profil und insbesondere der leider allzu früh verstorbene Hubertus Czernin haben sich damals couragiert der Causa Waldheim angenommen.
Kuno: Gemeinsam mit anderen haben wir beschlossen, eine neue Bewegung, das „Neue Österreich“, zu gründen. Proponenten waren u. a. Gaby Lansky, Erhard Löcker, Daniel und Miriam Charim, Rubina Möhring, Peter Kreisky, Doron Rabinovici, Gustav Glaser und Peter Pelinka. Wir haben den Verein „Neues Österreich“ angemeldet.
Sibylle: Wie kam zu diesem Namen?
Kuno: Das „Neue Österreich“ war die erste Zeitung der zweiten Republik. Ich wurde 1963 vom „Neuen Österreich“ engagiert, zunächst als Textbereiniger. Später war ich gemeinsam mit Barbara Coudenhove-Kalergi für Außenpolitik zuständig.
1966 wurde uns mitgeteilt, die Tageszeitung „Neue Österreich“ hat kein Geld mehr, sie wird eingestellt. Wir fanden: Unmöglich, das geht nicht, das Organ der Demokratischen Einigung, die erste Zeitung der zweiten Republik einzustellen. Barbara Coudenhove-Kalgeri und ich haben zu je 50 Groschen, also zu einem Schilling in Summe, den Titel von Fred Ungar, dem damaligen Besitzer der Zeitung, erworben.
Die Auflage der Zeitung schrumpfte weiter, sie musste als Tageszeitung eingestellt werden. Wir sagten, okay wir machen eine Wochenzeitung, Anton Fellner war Chefredakteur.
Im Jänner 1967 hatten wir erneut kein Geld mehr. Angeblich hat Kurt Jürgens die Finanzierung eines Filmprojekts gerettet, indem er ins Casino gegangen ist und viel Geld gewonnen hat. In einer Redakteurssitzung kam uns die Idee: Jeder der Redakteure zahlt 1.000 Schilling, das war 1967 viel Geld. Wir, ungefähr 15 oder 20 Redakteure beschlossen, mit dem Geld nach Baden ins Casino zu gehen, um das Geld aufzustocken. Tatsächlich sind wir nach Baden gefahren. Anton Fellner, der brave Katholik, hat gebetet und sich gar nicht getraut, das Casino zu betreten. Ich bin hineingegangen und habe im Casino die Wahl gehabt, schwarz, rot, Nummern, usw. Ich habe auf rot gesetzt. Schwarz ist gekommen und alles war weg – mit einem Spiel.
Sibylle: Aber Ihr hattet noch das Recht auf den Namen. Den Namen habt Ihr, Barbara Coudenhove-Kalergi und Du, dann in den Verein „Neues Österreich“ eingebracht. Wann kam der Name „Republikanische Club“ dazu?
Kuno: „Republikanischer Club“ kam erst später zum Namen dazu. Der Verein wurde als „Neues Österreich“ angemeldet. Zunächst gab es eine Art von Voranmeldung. Wir haben eine quasi konstituierende Versammlung im Cafe Landtmann einberufen, um zu sehen, wie viele Leute kommen. Und das Landtmann war voll.
Sibylle: Du giltst auch als Erfinder des Waldheim Holzpferdes.
Kuno: Ja, ich saß mit Paul Blaha in seinem damaligen Direktionsbüro im Wiener Volkstheater, Peter Turrini und Alfred Hrdlicka waren ebenfalls da. Wir haben über Waldheim geredet und geplaudert. Alfred Hrdlicka saß daneben und skizzierte mit einem roten Stift das Pferd. Das war eine Sache von fünf Minuten. Ich nahm die Skizze und bin damit zu einer Bühnenwerkstatt. Das Waldheim-Holzpferd der Gruppe „Neues Österreich“ wurde zum Symbol. Es war bei jeder größeren Demonstration dabei, in der Zwischenzeit war es bei mir im „Fischapark“ untergebracht. Es war geplant, dass das Pferd Waldheim bei jeder seiner Auslandsreisen begleiten würde. Allerdings wurde Waldheim nirgendwohin eingeladen. Nie, außer in den Vatikan. Also fuhr das Pferd nach Rom, gemeinsam mit der Maturaklasse meines Sohnes, Johannes. Das Pferd wurde auf der Piazza Navona aufgestellt. Eigentlich sollte es am Eingang zum Vatikan stehen, dies wurde jedoch untersagt.
Sibylle: Die Wahrnehmung in den Medien war damals sehr stark. Die Reise des Pferdes wurde ebenso beachtet wie der Waldheimbesuch. Das Pferd war dann auch in Salzburg, bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele. Initiativen vor Ort haben den Besuch des Pferdes vorbereitet, samt eigenen „Waldheimkugeln“ statt Mozartkugeln.
Kuno: Wir hatten sogar von einem Politiker im amerikanischen Repräsentantenhaus die Zusage, dass das Pferd eine Einreiseerlaubnis in die Vereinigten Staaten erhalten würde. Einzig, Waldheim erhielt keine Einreiseerlaubnis. Der US-Justizminister Edward Meese setzte Waldheim 1987 auf die „Watchlist“.
Sibylle: Interessant ist, dass Waldheim erst 1987, d.h. nach der Wahl auf die Watchlist gesetzt wurde.
Kuno: „Jetzt erst recht“, ein Wahlkampfmotto von Waldheim, wurde natürlich in den USA wahrgenommen. Offenbar wollte man sich nicht den Vorwurf aussetzen, man habe die Wahl in Österreich durch eine vorherige Watchlist-Entscheidung beeinflusst. Man wollte offenbar erst einmal schauen, ob Waldheim überhaupt gewählt wird. Als er dann gewählt wurde, und vor allem, als er Präsident war und sich nicht von diesem Wahlkampf distanziert hat, wurde er auf die Watchlist gesetzt.
1986 war das Jahr der Debatte über die österreichische Kriegsschuld. Wie hat sich Österreich im Zweiten Weltkrieg verhalten? Zum ersten Mal ist man draufgekommen, dass „La Pusteria“ eine Südtiroler Division am Balkan war. 1986 war das Jahr des Beginns der Aufarbeitung dieses Teils der österreichischen Geschichte.
1986 war auch das Jahr, in dem die Grünen erstmals ins Parlament kamen. Damit hatte sich die österreichische politische Landschaft nachhaltig verändert.
1986 stürzte Jörg Haider den damaligen FPÖ-Parteiobmann Norbert Steger und rückte die Ausländerfeindlichkeit in den Fokus der österreichischen Innenpolitik, auch das hat die politische Landschaft bis heute verändert.
1986 war ein Jahr, das in Österreich tiefgreifende Veränderungen ausgelöst hat.

 

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DIE POLITIK DES VERGESSENS, Theater Nestroyhof Hamakom, Nestroyhof 1, 1020 Wien, 24. Okt. – 5. Nov. 2014

Der Republikanische Club – Neues Österreich stellte sein legendäres Waldheim-Holzpferd nach einer Skizze von Alfred Hrdlicka zur Verfügung.

24. Oktober 2014, ENTHÜLLUNG DES WALDHEIM-HOLZPFERDS

Fotos: Wladimir FRIED

Vor der Enthüllung:

Von li. nach re.: Georg HOFFMANN-OSTENHOF, Kulturstadtrat Andreas MAILATH-POKORNY, Sibylle SUMMER (RC) und Anna Maria KRASSNIGG (Salon 5).

Enhüllung:

Nach der Enthüllung:

25. Oktober 2014, SALON: Waldheim zw. Journaille und Journalismus

Mit: Barbara TOTH, Georg HOFFMANN-OSTENHOF, Heribert STEINBAUER, Fritz HAUSJELL, Gerhard OBERSCHLICK, Regina HOFER

Foto: Wladimir FRIED

Nähere Infos: http://salon5.at/produktionen/salon-waldheim/ und https://repclubdev.furiosys.at/2014/10/29/hinweis-salon-5-im-theater-nestroyhof-hamakom/

 

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Das Waldheim-Holzpferd des Republikanischen Clubs – Neues Österreich zu Gast im Wien Museum, 2. März bis 4. Mai 2016

Fotos: Wien Museum

 

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NESTBESCHMUTZER

Protest, Konfrontation und Institution – ein Blick zurück nach vorn
von Doron RABINOVICI (verfaßt 1990)


Gemeinsame Empörung gegen politischen Antisemitismus, Geschichtslosigkeit und provinziellen Chauvinismus einte den „Republikanischen Club – Neues Österreich“. Aus spontanem Protest entstand vor nunmehr vier Jahren eine heterogene Bewegung.

Mit Einzelaktionen und Straßendiskussionen betrieben wir provokative Aufklärung. Mit der Mahnwache für den österreichischen Widerstand auf dem Stephansplatz, mit sonntäglichen Protestzusammenkünften, die an die angelsächsische Tradition des Hydepark-Corners erinnerten, mit dem Hrdlicka-Pferd, gegen die Ausritte österreichischer Politiker gallopierend, mit der Großkundgebung am 12. März 1988, geriet der Republikanische Club zum Symbol für ein „Anderes Österreich“.
Wen wundert’s? Zweitweise fiel uns ein nicht angestrebtes Monopol zu: entschieden auftreten zu müssen gegen antidemokratische Tendenzen. Nicht aber bange Angst um Österreichs Ruf formte die Gruppe. Nicht um die Politik der Imagepolitur, nicht um die Verpackung, sondern um den Inhalt ging es uns. Die Abscheu vor heimischen Urlauten und das Schweigen der Mehrheit ließen uns unsere Stimmen erheben.
Die Affäre-Waldheim war nur Anlass, nicht Ursache unserer Auseinandersetzung. Waldheim war bloß ein Symbol, war nicht das eigentliche Problem, sondern dessen unappetitliches Symptom.
In Dokumentationen und Symposien suchten wir die österreichische Realität zu analysieren und zu erkennen, ohne sie als letzte Notwendigkeit, als eherne Naturgesetzlichkeit, anerkennen zu wollen.
Die Suche nach historischen Wurzeln gegenwärtiger Realität, diente nicht der Ablenkung von anderen politischen Fragestellungen. Im Gegenteil: nicht nur der vergangenen Verbrechen wegen erfolgte in Österreich das Verschweigen und Verleugnen der Geschichte, sondern um den Status quo, die Gegenwart in ihrer historischen Kontinuität, einzuzementieren. Unsere Auseinandersetzung zielt gegen eine Politik, die sich auf vergangene Zeiten zurückbesinnen möchten, ohne sich ihrer erinnern zu wollen. Fragen der „Identität“ Österreichs, das offiziell ein Land der Geschichte, aber frei von Vergangenheit sein will, wurde gestellt. Das Aufbranden der neuen Welle von Ausländerangst und unverschämten Rassismus ist Oberflächenerscheinung einer tiefen, sozialen Umwälzung.
Die Affären rund um Taras Borodajkewycz, Friedrich Peter, Friedhelm Frischenschlager, Kurt Waldheim, Michael Graff und Josef Ratzenböck sind Meilensteine ein und derselben Entwicklung: der Kettenreaktion österreichischer Selbstdemaskierung. Der Republikanische Club ist deren Abspaltprodukt; ist Kristallisationskern einer neuen politischen Polarität, die nach inhaltlicher Auseinandersetzung strebt.
Wir sind keine Partei und wollen auch keine werden. Kein abgeschlossenes Weltbild zeichnet den Republikanischen Club aus. Es ist nicht unser Auftrag, die Antworten auf alle Fragen zu präsentieren. Wir wollen uns aber dafür einsetzen, dass jede Frage offen gestellt werden kann.
Viele beklagen den Niedergang der „politischen Kultur“. Wir streben ein Ambiente der Vielfalt und der Heterogenität an: es geht um eine Kultur des Streites.
Seit 1989 hat der Republikanische Club auch Anschrift und Adresse: unser Club-Lokal etablierte sich zum Fokus kritischer Öffentlichkeit und hitziger Debatten: Abend für Abend.
Hier versuchen wir die – in Österreich so tiefsitzende – Sehnsucht nach Harmonie und faulen Kompromissen aufzubrechen. Wir wollen inhaltlich Trennendes über vermeintlich Gemeinsames stellen.
Es geht nicht um die Bestätigung vorgefertigter Urteile. Die Diskussionen zwingen zur kritischen Selbstanalyse: der Republikanische Club bricht mit dem konventionellen, „hilflosen“ Antifaschismus, der in Ritualen steckenbleibt. Das Scheitern emanzipatorischer Experimente, die Dialektik der Aufklärung, die Ästhetik des Widerstands; das sind Themen, die uns berühren.
Wenn aber öffentlicher Diskurs aus Machtinteressen blockiert wird, wenn kritischen Fragen mit Repression und ausgrenzender Diskriminierung begegnet wird, wird der aufklärerische Diskurs in Aktion und Artikulation umschlagen. Als Salman Rushdie der Mord angedroht wird, veranstaltet der Republikanische Club die erste öffentliche Lesung der „satanischen Verse“ in Österreich. Als das Zita-Begräbnis im Jubiläumsjahr der Französichen Revolution zur makabren Prozession des autoritären Untertanentums und zur nostalgischen Auferstehung aller Kapuzinergruftis gerät, feiern wir die Ideale der Freiheit mit einem republikanischen Leichenschmaus. Wenn jene, denen „nichts zu heiß ist“, wieder zündeln, wenn wieder Feuer am Dach ist, dann müssen wir erneut der Feuerwehr gleich auffahren. Dann wird aus dem Diskursforum eine Arena der Artikulation, eine radikaldemokratische Plattform der Aktion werden.
Der Republikanische Club hat den eigenen Anlassfall überlebt. Die spontane Bewegung formte sich zur Institution, ohne auf ihre ursprüngliche Mobilität verzichten zu wollen. Das dem Club beigeordnete „Café Hebenstreit“, von lateinamerikanischen Flüchtlingen geführt, sorgt für kulinarische und soziale Rekreation nach leidenschaftlichen Debatten.
Spezialprobleme, Dauerbrenner, die einer kontinuierlichen Auseinandersetzung bedürfen, werden in Arbeitskreisen behandelt.
Der Republikanische Club – Neues Österreich ist ein urbaner Ort der Begegnung, der inhaltlichen Diskussion und Brennpunkt kritischen Potentials geworden.
„Die Veralltäglichung des Charismas“
Der Club ist immer noch „work in progress“. Mit Lokal, Café und Büro sind nicht nur Protest und Bewegung zur Institution angewachsen – sondern auch unsere administrativen und finanziellen Nöte und Probleme. Um unabhängig agieren zu können, setzen wir auf Erweiterung unseres Unterstützerkreises. Aktive Mitarbeit und materielle Hilfe sind äußerst erwünscht.

 

 

 

 

 

 

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