Freitag, 15. Juni 2018, 19 Uhr, im RC:
GESPRÄCH MIT DER PHILOSOPHIN ÁGNES HELLER
Viktor Orbáns dystopische Erzählungen über Europa und "sein Ungarn" als kleine Utopie.
Die Regierungsjahre Orbáns fallen wohl nicht zufällig mit den "Krisenjahren" der Europäischen Union (oder vielmehr mit einem dystopischen Krisengefühl innerhalb dieser) zusammen. Finanz-, Schulden-, Flüchtlings- und Identitätskrise: Aus diesem Gemisch zieht der ungarische Ministerpräsident die Motive seiner Politik. Europa sei im Begriff Selbstmord zu begehen, Nationen würden verschwinden, das Christentum sei im Niedergang begriffen, Ungarn und andere westliche Länder seien im Belagerungszustand – manipuliert durch internationale Finanzspekulanten und bedroht durch gelenkte Migrationsströme. Motive, die seiner im April wiedergewählten Regierung als Vorwand dienen, um politischen Gegnern mittlerweile offen zu drohen und auch die letzten Überbleibsel einer liberalen Demokratie auszumerzen. "Sein Ungarn" wird Orbán dabei zum Gegenmodell und zu einem utopischen Hoffnungsort.
Die Philosophin Ágnes HELLER dagegen gehört zu den prominenten Kritikerinnen des Systems Orbán und fügt dabei ein weiteres "Widerstandskapitel" an ihre, an widerständigem Handeln und Denken nicht arme, Biografie. Als Kind überlebt sie durch Glück, Zufall aber auch Schläue die Shoah in Budapest, sie wird Schülerin des damals als "Rechtsrevisionisten" verrufenen George Lukács und verlässt Ungarn schließlich 1977 in das australische Exil aufgrund des gleichen, nun gegen sie gerichteten, Vorwurfs. Heller nahm an der ungarischen Revolution von 1956 teil und beeinflusste "mit und gegen Marx" linke Diskurse im Zuge der 68er-Bewegungen. Heute ist sie eine der bekanntesten zeitgenössischen Philosoph_innen und bestimmt mit ihren provokanten Thesen nicht nur die philosophischen, sondern auch die politischen Debatten.
Am Podium:
Ágnes HELLER im Gespräch mit
Thomas WALLERBERGER (RC)
Fotos: © Georg Hauptfeld