8. Mai – Tag der Befreiung – Rede von Doron Rabinovici
Einem Bündnis aus Israelitischer Kultusgemeinde Wien, Grünen und Sozialistischer Jugend Wien ist es sehr kurzfristig gelungen, dass der Heldenplatz am 8. Mai 2011, dem Tag der Befreiung vom Naziterror, nicht nur den rechten Burschenschaften gehört, sondern, dass es auch Platz für eine Bühne für eine Kundgebung "8. Mai – Tag der Befreiung" gab.
Doron RABINOVICI (Sprecher des Republikanischen Clubs – Neues Österreich) hielt auf der Bühne "8. Mai – Tag der Befreiung" folgende Rede:
Der Sieg über den Nazismus ist kein Trauerfall. Wofür wir hier und heute stehen, ist der anerkannte Konsens für ein neues und demokratisches Europa. In England, in Frankreich, in Norwegen, in Tschechien, in der Slowakei wird am 8. Mai gefeiert. Die Niederlande begehen dieses Fest der Freiheit bereits am 5., die Nachfolgestaaten der Sowjetunion am 9. Mai. Für alle aber gilt, was der deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker schon 1985 feststellte: Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung.
Im Jahr 1945 mag diese Tatsache nicht sofort für alle gegolten haben, immer noch sollten viele leiden, aber im Laufe der Zeit zeigte sich immer deutlicher, wofür das Datum steht und wogegen. Deshalb kann, wer Frieden, Demokratie und Menschenrechte will, nur sagen: Der 8. Mai ist ein Jubiläum der Freude.
Der Sieg über den Nazismus ist kein Trauerfall. Das bedeutet nicht, all das zu vergessen, was gleichwohl zu beklagen ist. Im Gegenteil: Nur mit dem Niedergang der Barbarei und der Ausweitung der Demokratie kommt die Erinnerung zu ihrem Recht, und nur mit der Erinnerung kann die Demokratie gesichert und die Wiederkehr der Barbarei verhindert werden. Mehr noch: Der Ermordeten zu gedenken, ob Juden, Roma, psychisch Kranke oder Homosexuelle, ob Widerstandskämpfer oder ob jener, die ihr Leben für andere gaben, der Ermordeten zu gedenken, bedeutet, gegen ihre Vernichtung, gegen ihre vollständige Auslöschung die Stimme zu erheben.
Erst mit der Überwindung des Nazismus können wir aber auch den Kriegstoten gerecht werden. Nur wer begreift, wie widersinnig ihre Tode waren und von welchem Charakter ihr Töten, kann sie als Menschen betrauern. Die Rechtsextremen rühmen die Wehrmachtssoldaten hingegen als Helden. Sie verschweigen, welchen Befehlen sie folgten. Sie machen sie wiederum zu Geiseln der mörderischen Ideologie. Die Wahrheit aber ist: Wer angeblich für das Vaterland kämpfte, kämpfte gewiß nicht für Österreich, kämpfte gewiß nicht für dessen Freiheit, verteidigte aber letztlich auch die Todesfabriken und die Gaskammern. Jene, die in der Wehrmacht dienten, die für das Regime töteten und starben, garantierten unweigerlich den Erhalt dessen, was mit Auschwitz umschrieben wird. Diese Wahrheit zu verschweigen, etwa nicht zu sagen, wie halbe Kinder noch in den letzten Stunden verheizt wurden, hat mit Gedenken nichts zu tun, sondern bloß mit dem Festhalten an jener verbrecherischen Ideologie, die einst in den Vernichtungskrieg führte.
Deshalb ist es um so wichtiger, zu erklären: Es kann kein gemeinsames Gedenken für alle Toten geben. Theodor Adorno schrieb: „Seit Auschwitz heißt den Tod fürchten, Schlimmeres fürchten als den Tod.“ Die Ermordeten waren keine Gefallenen. Im Hinterland lagen die Konzentrationslager. Sie waren kein militärischer Gegner. Wer das ausblendet, erklärt sie neuerlich zum Todfeind. Mehr noch: Die Freiheitlichen gedenken aller Toten gleich. Wir aber wissen Unterscheide zu machen. Wir trauern nicht um Hitler, nicht um Eichmann und nicht um Kaltenbrunner. Wir trauern nicht um die Massenmörder und ihre Henkershelfer. Indem die Freiheitlichen vorgeben, alle Toten gleich beweinen zu wollen, verhöhnen sie die Ermordeten. Sie setzen Opfer und Täter gleich.
Diese Burschenschaftler, ob sie Strache, Graf oder Gottfried Küssel heißen, machen das nicht ihrer Dummheit wegen. So viele Säbelhiebe auf den Kopf kann einer gar nicht abbekommen, daß er nicht mehr zwischen dem Los eines SS-Schergen und jenem eines jüdischen Ermordeten unterscheiden kann. Ganz im Gegenteil: Die bierigen Schmißbacken wissen genau, was sie tun. Sie wollen die Blutspur ihrer Ideologie verwischen. Sie wollen die Erinnerung verhöhnen. Die Verharmlosung der vergangenen Verbrechen soll der Rechtfertigung ihrer gegenwärtigen Hetze dienen.
Die Freiheitlichen läßt die offene Solidarisierung der Neonazis aus dem Internet nicht zurückschrecken. Wen wundert’s? Die Verbindungen zwischen manchen Freiheitlichen und der Website sind allzu offensichtlich. Was uns mehr erstaunt, ist, wie lange die Homepage der nationalsozialistischen Wiederbetätiger unbehelligt blieb. Zufällig wurde die Justiz erst aktiv, als die Ministerin Bandion-Ortner um ihr Amt zittern mußte. Mag sein, daß der Server in Amerika angemeldet ist. Aber die Behörden müssen gegen die Betreiber aktiv werden. Die sitzen zweifellos im Alpenland.
Nun rufen die einschlägigen Olympioniken des Rechtsextremismus zur völkischen Trauer auf. Und ehrlich: Wer will es ihnen verdenken? Im Gegenteil, ich gönne ihnen ihr Gejammer, ob sie Küssel, Honsik oder Gudenus heißen. Ich sage: Trauert doch nur mal schön! Ihr habt verloren. Euer Reich ist dahin. Und es ist gut so!
Am Heldenplatz, im Zentrum der Republik, hat ein Trauern um den Nazismus jedoch nichts zu suchen. Am 8. Mai muß der Platz von den Neonazis befreit sein. Am 8. Mai wollen wir hier Feste feiern für ein Europa der Demokratie und der Menschenrechte, für ein Europa des Antirassismus und der Zivilcourage.