Republikanischer Club - neues Österreich

„Neues Österreich“ – die Geschichte eines Namen Auszüge aus einem Gespräch von Sibylle Summer mit Kuno Knöbl, im Frühjahr 2009

Sibylle: Du bist ein Gründungsmitglied des Republikanischen Clubs – Neues Österreich. Was war der Entstehungsimpetus für den RC? Wie war das gesellschaftspolitische Umfeld damals?
Kuno: Es gab damals, im Herbst 1984, eine Reihe von Club 2 – Diskussionen, die sehr staatskritisch waren. So gab es etwa große Auseinandersetzungen rund um die „Hainburger Au“.
Sibylle: Es war eine Zeit, in der neue Bewegungen entstanden sind, in der sich kritisches Bewusstsein entwickelte.
Kuno: Diese Entwicklung wurde teils auch vom ORF (im Club 2) befördert. Zum Teil sogar verursacht. Der Club 2 war 1976 die erste Talkshow im kontinentaleuropäischen Raum, die live gesendet wurde, zwei mal pro Woche. Kollegen aus ganz Europa kamen zu mir, wir erhielten viele Preise für diese Sendung. Die Idee für den Club 2 war, eben nicht eine disziplinierte Runde, die fachspezifisch zu einem Tagesthema spricht, einzuladen. Eingeladen wurden „normale Bürger“, d.h. Personen mit bestimmten Interessen, die nicht unbedingt bezogen auf ihre Fachgebiete diskutierten. Wenn etwa Rechtsfragen das Thema waren, haben wir bestenfalls einen Rechtsanwalt geholt, damit er uns Rechtsauskünfte gibt. Der Moderator im Club 2 war mehr Gastgeber, Gastgeberin als Diskussionsleiter. Und die Gesprächsteilnehmer waren Gäste. Es waren keine fachspezifischen Debatten, sondern Gespräche mit  Open End.
Sibylle: Du warst Chefredakteur, Intendant, Unterhaltungschef im ORF und Erfinder und viele Jahre Leiter der legendären Talkshow Club 2.
Kuno: Ja, aber zurück zur Geschichte. Es gab einen Club 2, den Freda Meissner – Blau geleitet hat. Es ging um die „Hainburger Au“. Der Niederösterreichische Umweltlandesrat Ernest Brezovsky war eingeladen und wurde von Freda Meissner-Blau während der Sendung heftig persönlich angegriffen. Ich war am Regietisch, als uns das Telefonat vom damaligen Generalintendanten Gerd Bacher erreichte: „Die Freda hat Hausverbot“. Ich war ziemlich schockiert. Gemeinsam mit Sigrid Löffler hatten wir die Idee, Freda Meissner-Blau zu fragen, ob sie sich vorstellen könnte, für die nächste Bundespräsidentschaftswahl zu kandidieren.
Warum sind wir auf diese Idee gekommen? Es war fühlbar, dass sich bestimmte Strukturen in diesem Land – nach Kreisky – verändern. Damals war klar: Es wird sich etwas ändern, es ändern sich gesellschaftliche Verhältnisse. Und mit diesem Gefühl, natürlich auch mit der entsprechenden Analyse, sind wir dann zu Freda und haben gesagt: „Freda, du musst für die Präsidentschaft kandidieren.“ Da ging es darum, überhaupt einmal zu prüfen, ob es eine Chance gibt.
Sibylle: Eine Chance für neue alternative Ansätze?
Kuno: Wir waren der Meinung: wenn fünf Prozent erreicht werden, dann ist es hervorragend.
Sibylle: Wie ging es dann weiter?
Kuno: 1985 hatten wir bereits das Wahlbüro für Freda Meissner-Blau im Keller von Gexi Tostmann. Die Ernennung Waldheims zum   Bundespräsidentschaftskandidaten der ÖVP wurde – meiner Erinnerung nach – im August 1985 von Alois Mock angekündigt. Es kam zu ersten Debatten über Waldheim und seinen Umgang mit der Vergangenheit. Im Herbst 1985 hatte ich mit Freda Meissner-Blau einen heftigen Krach. Ich war der Meinung, wir müssen uns mit Waldheim offensiv auseinandersetzen. Freda sagte: „Das machen wir nicht.“ In der Folge bin ich aus der Wahlbewegung für Freda Meissner-Blau ausgeschieden.
Sibylle: Das profil und insbesondere der leider allzu früh verstorbene Hubertus Czernin haben sich damals couragiert der Causa Waldheim angenommen.
Kuno: Gemeinsam mit anderen haben wir beschlossen, eine neue Bewegung, das „Neue Österreich“, zu gründen. Proponenten waren u. a. Gaby Lansky, Erhard Löcker, Daniel und Miriam Charim, Rubina Möhring, Peter Kreisky, Doron Rabinovici, Gustav Glaser und Peter Pelinka. Wir haben den Verein „Neues Österreich“ angemeldet.
Sibylle: Wie kam zu diesem Namen?
Kuno: Das „Neue Österreich“ war die erste Zeitung der zweiten Republik. Ich wurde 1963  vom „Neuen Österreich“ engagiert, zunächst als Textbereiniger. Später war ich gemeinsam mit Barbara Coudenhove-Kalergi für Außenpolitik zuständig.
1966 wurde uns mitgeteilt, die Tageszeitung „Neue Österreich“ hat kein Geld mehr, sie wird eingestellt. Wir fanden: Unmöglich, das geht nicht, das Organ der Demokratischen Einigung, die erste Zeitung der zweiten Republik einzustellen. Barbara Coudenhove-Kalgeri und ich haben zu je 50 Groschen, also zu einem Schilling in Summe, den Titel von Fred Ungart, dem damaligen Besitzer der Zeitung, erworben.
Die Auflage der Zeitung schrumpfte weiter, sie musste als Tageszeitung eingestellt werden. Wir sagten, okay wir machen eine Wochenzeitung, Anton Fellner war Chefredakteur.
Im Jänner 1967 hatten wir erneut kein Geld mehr. Angeblich hat Kurt Jürgens die Finanzierung eines Filmprojekts gerettet, indem er ins Casino gegangen ist und viel Geld gewonnen hat. In einer Redakteurssitzung kam uns die Idee: Jeder der Redakteure zahlt 1.000 Schilling, das war 1967 viel Geld. Wir, ungefähr 15 oder 20 Redakteure beschlossen, mit dem Geld nach Baden ins Casino zu gehen, um das Geld aufzustocken. Tatsächlich sind wir nach Baden gefahren. Anton Fellner, der brave Katholik, hat gebetet und sich gar nicht getraut, das Casino zu betreten. Ich bin hineingegangen und habe im Casino die Wahl gehabt, schwarz, rot, Nummern, usw. Ich habe auf rot gesetzt. Schwarz ist gekommen und alles war weg – mit einem Spiel.
Sibylle: Aber Ihr hattet noch das Recht auf den Namen. Den Namen habt Ihr, Barbara Coudenhove-Kalergi und Du, dann in den Verein „Neues Österreich“ eingebracht. Wann kam der Name „Republikanische Club“ dazu?
Kuno: „Republikanischer Club“ kam erst später zum Namen dazu. Der Verein wurde als „Neues Österreich“ angemeldet. Zunächst gab es eine Art von Voranmeldung. Wir haben eine quasi konstituierende Versammlung im Cafe Landtmann einberufen, um zu sehen, wie viele Leute kommen. Und das Landtmann war voll.
Sibylle: Du giltst auch als Erfinder des Waldheim Holzpferdes.
Kuno: Ja, ich saß mit Paul Blaha in seinem damaligen Direktionsbüro im Wiener Volkstheater, Peter Turrini und Alfred Hrdlicka waren ebenfalls da. Wir haben über Waldheim geredet und geplaudert. Alfred Hrdlicka saß daneben und skizzierte mit einem roten Stift das Pferd. Das war eine Sache von fünf Minuten. Ich nahm die Skizze und bin damit zu einer Bühnenwerkstatt. Das Waldheim-Holzpferd der Gruppe „Neues Österreich“ wurde zum Symbol. Es war bei jeder größeren Demonstration dabei, in der Zwischenzeit war es bei mir im Fischerpark untergebracht. Es war geplant, dass das Pferd Waldheim bei jeder seiner Auslandsreisen begleiten würde. Allerdings wurde Waldheim nirgendwohin eingeladen. Nie, außer in den Vatikan. Also fuhr das Pferd nach Rom, gemeinsam mit der Maturaklasse meines Sohnes, Johannes. Das Pferd wurde auf der Piazza Navona aufgestellt. Eigentlich sollte  es am Eingang zum Vatikan stehen, dies wurde jedoch untersagt.
Sibylle: Die Wahrnehmung in den Medien war damals sehr stark. Die Reise des Pferdes wurde ebenso beachtet wie der Waldheimbesuch. Das Pferd war dann auch in Salzburg, bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele. Initiativen vor Ort haben den Besuch des Pferdes vorbereitet, samt eigenen „Waldheimkugeln“ statt Mozartkugeln.
Kuno: Wir hatten sogar von einem Politiker im amerikanischen Repräsentantenhaus die Zusage, dass das Pferd eine Einreiseerlaubnis in die Vereinigten Staaten erhalten würde. Einzig, Waldheim erhielt keine Einreiseerlaubnis. Der US-Justizminister Edward Meese setzte Waldheim 1987 auf die „Watchlist“.
Sibylle: Interessant ist, dass Waldheim erst 1987, d.h. nach der Wahl auf die Watchlist gesetzt wurde.
Kuno: „Jetzt erst recht“, ein Wahlkampfmotto von Waldheim, wurde natürlich in den USA wahrgenommen. Offenbar wollte man sich nicht den Vorwurf aussetzen, man habe die Wahl in Österreich durch eine vorherige Watchlist-Entscheidung beeinflusst. Man wollte offenbar erst einmal schauen, ob Waldheim überhaupt gewählt wird. Als er dann gewählt wurde, und vor allem, als er Präsident war und sich nicht von diesem Wahlkampf distanziert hat, wurde er auf die Watchlist gesetzt.
1986 war das Jahr der Debatte über die österreichische Kriegsschuld. Wie hat sich Österreich im Zweiten Weltkrieg verhalten? Zum ersten Mal ist man draufgekommen, dass „La Pusteria“ eine Südtiroler Division am Balkan war. 1986 war das Jahr des Beginns der Aufarbeitung dieses Teils der österreichischen Geschichte.
1986 war auch das Jahr, in dem die Grünen erstmals ins Parlament kamen. Damit hatte sich die österreichische politische Landschaft nachhaltig verändert.
1986 stürzte Jörg Haider den damaligen FPÖ-Parteiobmann Norbert Steger und rückte die Ausländerfeindlichkeit in den Fokus der österreichischen Innenpolitik, auch das hat die politische Landschaft bis heute verändert.
1986 war ein Jahr, das in Österreich tiefgreifende Veränderungen ausgelöst hat.

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