Republikanischer Club - neues Österreich

Rede anlässlich der Lichterkette am 18.6.2009 vor dem Parlament

von Doron Rabinovici

Martin Graf will uns glauben machen, die Entstehung dieser Republik habe nichts zu tun mit antifaschistischem Grundkonsens. Würde er damit meinen, es gäbe zuwenig an antifaschistischer Gesinnung, hätte er ja sogar recht. In diesem Staat blieben nicht bloß Nazimörder unbehelligt und ihre Opfer wurden verhöhnt. Der Mangel an Haltung ist bis heute unübersehbar, und niemand verkörpert diesen Defekt besser als der Skandal namens Martin Graf, dieser Verbindungsbruder zu naziversandelten Rechtsextremen.
Sicher: Im Namen des Antifaschismus wurde auch Schlechtes getan. Im Namen der Demokratie ebenso. Aber das ist kein Grund, Demokratie oder Antifaschismus zu eliminieren. Wenn letztlich heute hier Menschen demonstrieren dürfen, wenn diese Republik begründet werden konnte, dann nur weil es jene gab, die gegen den Nazismus aufstanden. Sie waren zu wenige zwar, aber um so mutiger. Sie riskierten ihr Leben. Sie setzten dem Terror ihre Gegenwehr entgegen. Ihre Parole lautete: Widerstand. Diese Lichterkette heute wird auch durch sie – und soll auch für sie leuchten.
Sie wußten: Da hat eine Grenze zu sein zwischen Faschismus und dieser Republik, da läuft eine Front zwischen Rassismus und Demokratie, da geht ein Graben zwischen Nazismus und Menschenrecht. Wir stehen hier, weil der Graben zwischen Nazismus und Menschenrecht, soviel ist aus der Geschichte klar, ein Leichengraben ist, ein Graben auf Leben und Tod. Wir stehen hier, weil es eine Grenze geben muß. Und diese Grenze, Herr Graf, ist erreicht. Es langt, Herr Graf, treten sie zurück.
Aber machen wir uns keine Illusionen. Martin Graf wird nicht zurücktreten. Er ist ja eben Parlamentspräsident, um das Amt für den Rechtsextremismus zu mißbrauchen. Er ist Parlamentspräsident, um gegen die Grundlagen der Republik zu wirken. Deshalb entließ er Mitarbeiter nicht, als sie beim Naziversand einkauften. Deshalb behielt er sie danach eigens länger im Dienst. Deshalb beleidigt er den Präsidenten der Jüdischen Gemeinde und schürt antisemitische Gefühle. Deshalb nennt er Arieh Muzicant einen Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus. Sogar der Volkspartei sollte es langsam gedämmert sein. Die Damen und Herren Abgeordneten müßten ihn schon selber abwählen.
Übrigens: Einen antifaschistischen Linksterrorismus gibt es hierzulande nicht. Diese Zweite Republik kannte alleinig Opfer rechtsterroristischer Verbrecher. Etwa Attentäter wie jener Nazi Norbert Burger, Mitglied der Olympia. Martin Graf sagt, er schätze seinen Verbindungsbruder Burger heute noch über den Tod hinaus. Seine „Olympia“ lädt sich gerne Nazisänger ein. Die reißen ihre Scherze über die Vernichtung der Juden.
Wer von Martin Graf redet, muß auch über die ÖVP sprechen, die ihn immer noch hält. Sie spekuliert weiter mit Schwarzblau. Sie sei, sagt sie, gegen Anlaßgesetzgebung. Aber es braucht keinen Anlaß, um einen Parlamentspräsidenten, der mit Antisemitismus spielt und Antifaschismus zum Schimpfwort machen will, nicht mehr zu tolerieren.
Wer von Martin Graf redet, darf auch nicht von jenen sozialdemokratischen Abgeordneten schweigen, die für ihn stimmten. Sie versteckten sich hinter einem Gewohnheitsrecht. Ich meine jedoch, wir haben nicht das Recht, uns zu gewöhnen an einen Nationalratspräsidenten, der an Neonazis anstreift.
Es ist, als versteckte sich die ganze Republik hinter einem ungeschriebenen Gewohnheitsrecht. Der eigentliche Skandal ist, wie gewöhnlich geworden ist, den Haß gegen Muslime, gegen Asylwerber, gegen Zuwanderer, auch gegen Juden wieder zu schüren. Ich kann mich nicht gewöhnen. Ich will mich nicht gewöhnen an die Hetze des Boulevards. Ich will mich nicht gewöhnen an Rassismus. Die Verschärfung der Asylgesetze zielt gegen mein Menschenrecht. Die Diffamierung der Erinnerung ist für mich kein Witz. Wir haben nicht das Recht, uns an die Diffamierung der Überlebenden zu gewöhnen. Dieses zünftige Gewohnheitsrecht ist ein Ungeist der Gleichgültigkeit, ist der Surm aus Wurstigkeit, der zwischen Opfer und Täter nicht unterscheiden will. Wer den Antifaschismus verschmäht, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Erinnerung an die Ermordeten nicht einmal mehr in Gedenkstätten gewahrt wird.
Gegen die Angstmache hilft nicht der Rückzug, sondern Zivilcourage. Das Gegenteil von Faschismus ist eben nicht die Toleranz. Im Gegenteil. Toleranz ist die Huld des Herrschers für den Untertan. Toleranz ist, wenn der Mächtige das Atmen des Schwachen eben noch duldet und der Schwache dafür dulden muß das Herrschen und das Rasen der Macht.
Nicht Toleranz, sondern Gleichberechtigung, nicht Gnade, sondern Menschenrecht, nicht Gunst, sondern Respekt brauchen Citoyens. Nicht weniger können, nicht weniger dürfen wir fordern.
Gegenüber Rassismus, rechtsextremer Hetze und neonazistischen Aufmärschen will ich nicht tolerant sein. Martin Graf, dieser Olympionike des Rechtsextremismus, mag unter den Seinen die Säbel wetzen und radikalen Vergnügungen nachgehen. Aber als hoher Repräsentant dieses Staates und als Präsident des Nationalrates ist er nicht zu tolerieren. Seine extremistischen Ergüsse passen nicht auf das Parkett der Republik, sie entstammen dem Abort brauner Vergangenheit und dort sollen sie auch gefälligst bleiben.
Die Lichterkette wird nicht nur für Österreich leuchten. In Italien verkommt die Demokratie. In den Niederlanden triumphiert die Hetze gegen den Islam. In Tschechien leben Roma in Ghettos. In Ungarn sind Faschisten auf dem Vormarsch. Aber es gibt auch ein Europa der Zivilcourage und des Antirassismus. Wir stehen hier für ein Festland der Demokratie. Mögen die anderen im Gestern und im Abendland daheim sein, wir leben, wo ein Morgen anbricht, wo ein Europa der sozialen Vision aufkeimt, wo wir in Vielfalt geeint sind.

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